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Dienstag, 26. Januar 2016

Ich-Problem oder Mensch-Problem?

Ich-Problem oder Mensch-Problem?

Ich habe vor einigen Monaten jemanden kennengelernt, mit dem ich realtiv bald eine (zeit-)intensive, interessante und interessierte Kommunikation aufgebaut habe.
Interessant ist: auf Nachfragen und Anteilnahme meinerseits wurde stets geantwortet- aber der Austausch blieb einseitig auf ihn und seine Angelegenheiten fixiert- es wurde kein Austausch zwischen ihm und mir, sondern mehr ein gelenkter Monolog.
Nun war mir von Anfang an klar, dass dieser Mensch einen großen, fast schon kindlichen need-for-feedback hat. Er braucht Rückmeldung, bestenfalls Lob, für fast alles, was er tut, und das kann er direkt und wirksam einfordern. Ohne böse Absicht instrumentalisiert er Menschen, ohne sie wirklich als solche wahr zu nehmen.

Wer ist also das Problem? Seine zweckdienliche Einstellung zur Beschaffung selbstwertrelevanter Informationen oder meine Kommunikationsmuster?

Ich habe ein Experiment gemacht. Ich habe einen Tag lang protokolliert, bei wie oft ich mich bei meinen Mitmenschen nach ihrem Befinden erkundige- und wie oft sie mich nach meinem fragen. Das musste nicht direkt im Anschluss an meine Frage sein, musste nicht genau so formuliert sein. Eigentlich habe ich jede Frage gezählt, die grob auf Interesse an mir und meiner aktuellen Situation schließen lässt.

Das Ergebnis- nicht überraschend, aber ernüchternd: ich frage fast doppelt so oft, als dass ich gefragt werde. Etwa der Hälfte meiner Mitmenschen geht es gut, der anderen Hälfte geht es "geht so" oder schlecht.

Kommunikationsproblem oder Vielfalt?

Auf den ersten Blick sagt es mir, dass ich einige Menschen nicht so sehr interessiere, wie sie mich interessieren. Ich mag es, wenn es meinen Sozialkontakten gut geht oder wenn ich etwas von ihnen erfahre, wobei bei mir natürlich auch ein gewisse Neigung für Fragen und Mit-freuen bzw. Helfen-wollen in der Persönlichkeit verankert ist.
Ich frage mich: Liegt es an mir, oder liegt es daran, dass andere Menschen vielleicht weniger das Bedürfnis verspüren, auf sprachlich-emotionaler Ebene zu interagieren? Sind es vielleicht eher "Macher"? Eher Menschen, die nur fragen, wenn ihnen etwas besonders auffällt? Diskrete Menschen, die lieber auf eine Mitteilung warten, anstatt sie einzufordern?

Lohnt es sich, mich zu fragen?

Mein Ergebnis zeigt es mir, dass es viele Menschen gibt, die sich für mich interessieren (oder deren sozialen Interaktionsmuster ähnlich aufgebaut sind wie meine?), und bei denen ich das teilweise erwartet habe- und teilweise nicht.Es hat mir mal jemand gesagt, dass ich mich nach etwas sehne, aber nicht wüsste, nach was und deswegen offen für vieles sei , aber selten "fully committed". Nach einer Phase der kritischen Reflexion muss ich sagen: Ja, das trifft zu.
 Auf Aktivitäten, Dinge und eben auch auf Menschen.Ich kann mich nur schwer voll und ganz auf Menschen einlassen, denn irgendwo ist die Angst da, dass sie irgendwann nicht mehr da sind, dass ich sie mehr mag als sie mich, dass sie mein Vetrauen missbrauchen.

Vielleicht spüren Menschen, dass ich selten komplett ehrlich und offen bin, und verzichten daher auf Fragen?
Und wenn sie fragen: kennen sie mich danach besser? Hat die Kommunikation also überhaupt einen Sinn?

Interesse oder Benehmen?

Man kann sich in der Betrachtung auch von der individuellen Ebene lösen und mal gucken, wie es gesellschaftlich aussieht. Fakt ist: Nach dem Befinden fragen ist höflich. Höflich ist es auch, mit "gut." zu antworten. Und es kann auch höflich sein, selbst nicht zu fragen, um nicht als neugierig zu gelten.
Leider ging es nicht allen meiner Befragten gut, und interessanterweise haben vor allem jene zurück gefragt, denen es gut ging. Es kann also sein, dass ein Teil der Rückfragen nicht mit Interesse zusammenhing, sondern mit dem Wunsch, die Interaktion sozial anerkannt zu gestalten.
Dennoch sträubt sich in mir etwas gegen diese Erklärung, denn viele Nachfrager waren enge Freunde, denen ich das Interesse auch abnehme.

Die Anderen oder das Ich?

Zum Abschluss nochmal die Frage: wer hat jetzt eigentlich das Problem?
Ich habe ausgiebig meine Mitmenschen betrachtet, nun muss ich mich selbst reflektieren. Ich weiß, dass ich empfindlich bin und ich kenne meinen "need for cognition". Dinge sind für mich nicht "einfach so", Dinge sind dafür da, damit man drüber nachdenkt (und einen Blogbeitrag darüber schreibt).

Fazit?
 Es gibt keinen. Die Gedanken waren mein ganzes Ziel- und ich werde nicht damit aufhören, Menschen zu fragen und mich ggf. fragen zu lassen.

Ein kleiner Fazit ist vielleicht, dass ich defintiv das richtige studiere. Menschen befragen und Strichlisten führen gibt mir so ein gewisses pseudo-psychologisches Gefühl- und das ist gut für mich.

1 Kommentar:

  1. Dein need for cognition ehrt dich, junger Padawan. Freut mich, dass ich etwas beitragen konnte ;)

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