Bienvenue au jardin

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Hereinspaziert!

Montag, 24. August 2015

Die Poesie der Demenz


 In der Tiefe steht
ein Licht
letzter Funke eines großen Feuers
das einst ein Mensch gewesen ist

Nach Jahren und Jahren
das Gehirn voll von Plaque
die Mappe voll  Befunde und Konsile
 ist der er nicht mehr hier, noch nicht dort.

Langsam sickern Gefühle durch
Restemotionen, wirr und halb
- Man nehme Wut, Angst, Liebe, Glück
man mische es durch und man kippe es aus-

(ich, 2015)

Ich arbeite zZ. in einer Gerontopsychiatrie, d.h. eine Station für ältere Menschen mit psychischen Belastungen (gefällt mir besser als "Krankheit" oder "Störung"). Die Patienten sind wahnhaft oder ängstlich oder depressiv oder alles zusammen, fast alle sind zusätzlich mehr oder minder dement. Einige sind so dement, dass sie ohne Hilfestellung nicht einmal ihren Namen wissen, geschweigen denn, wo sie sind, warum sie hier sind, seit wann sie hier sind wer wir sind und warum sie nicht in ihr vertrautes Zuhause gehen können. Ich könnte ihnen sagen, dass ihr zuhause gar nicht mehr existiert, dass sie längst im Heim sind oder, sobald wir sie entlassen, direkt in ein solches gefahren werden. Dass ihre Mama längst tot ist, dass sie hier in der Klapse und nicht auf der Arbeit sind, dass es nie mehr besser werde wird. Aber warum sollte ich? Ich höre lieber zu.


Wie geht es Ihnen heute?

 "Ich habe heute keine Haftung, alles flutscht vorbei."
"Nein, nein, nein, das das das das geht nicht."
"Halts Maul, Fotze."
"Da hab ich keinen Kopf für, ich denke immer nur an das arme Kind, das wird geschlagen, seit 6 Tagen hat es nichts mehr zu essen bekommen".
 "Es sind alles Stücke, ganz zerfallen und sie gehen nicht zusammen, sie gehen nicht zusammen!"
"Alles wie immer, schlecht."
"Was passiert denn mit mir? Sagen Sie mir bitte, was hier passiert!"
"Wie lange dauert der Kurs hier noch? Ich muss heute Abend noch viel erledigen..das hier ist doch die Handelsschule?"
"Ich halte es nicht mehr aus, ich halts nicht mehr aus, ich halts nicht mehr aus, ich halts nicht mehr aus."
"Ich darf das Wichtigste nicht vergessen, ich darf das Wichtigste nicht vergesse, ich darf ihn nicht vergessen, ich darf nicht, ich darf nicht, ich darf nicht."
"Gut, ich gehe gleich nach Hause."
"Ich kann mit Ihnen darüber nicht reden."

Und die schlimmste Antwort: "Das interessiert mich nicht."



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