Bienvenue au jardin

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Hereinspaziert!

Sonntag, 11. Oktober 2015

Warum in meiner Identität ein Stückchen fehlt.

Identität ist wichtig. Ohne eine Identität weiß man nicht, wer man ist, woher man kommt und wo man hinwill.

Es gibt verschiedene Ankerpunkte für die Identität, eine davon ist die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, z.B. die Gruppe der Frauen, die Gruppe der Schalke-Fans, die Gruppe der Gangster-Rap Hörer, oder eben auch die Gruppe der Deutschen, der Franzosen oder der Engländer. Letzteres ist die kulturelle Identität.

Ich dachte lange Zeit, ich sei ein Teil der Gruppe der Deutschen. Nicht, dass es besser oder schlechter als andere Gruppen wäre, aber es war einfach identitätstechnisch ganz schön, irgendwo dazu zu gehören. Man wusste, für wen man bei der WM jubeln soll, man konnte Kartoffelsalat und Sauerkraut problemlos lieben und man musste eigentlich nicht viel drüber nachdenken.

Aber Deutsche sind nunmal Deutsche und als solche seeeehr sensibel gegenüber Leuten, die nicht wahnsinnig deutsch aussehen. Deutschland, da war ja Hitler, und deswegen muss die Gruppe der Deutschen jederzeit demonstrieren, dass sie nicht rassistisch ist, sondern eine freundliche Willkommenskultur gebildet hat.

Und wer bietet sich da als Demonstrationsobjekt besser an als eine freundliche, junge Frau, der man den Migrationshintergrund deutlich auf der milchkaffeefarbenen Stirn geschrieben sieht?

Einige linke Meckertanten würden jetzt schreieen, dass die lieben Versuche, mich kulturell willkommen zu heißen, schön langsam und deutlich  für mich zu sprechen und mit mir Gespräche über mein Heimatland an zu knüpfen, bösartig seien (ich glaube, man nennt das "benevolenten Rassismus") und dass dies energisch bekämpft gehöre.
Benevolent ist dieses Verhalten auf jeden Fall, rassistisch vielleicht auch, aber ich nehme das nicht als negativ war. Eigentlich freut mich die Rücksichtsnahme und das Interesse, dass so demonstriert wird.

Nur: leider habe ich außer Deutschland kein Heimatland. Ich bin Migrantin 3. Generation und habe das Land, aus dem mein Großvater emigriert ist, niemals gesehen. Deutsch ist meine Muttersprache, alles, was ich sonst noch spreche hat mir die Schule beigebracht.
So tut es mir fast schon leid, wenn ich auf die Frage, wo ich herkomme, erst mit einer deutschen Stadt, dann mit "ja, schon immer", "Ja, meine Eltern auch." antworten muss und mein interessierter Gegenüber peinlich berührt zu Boden schaut.

Kann ich Teil einer Gruppe sein, die mich nicht als Teil wahrnimmt (wie wohl auch als ein positiver Nicht-Teil, den man gerne integrieren würde)? Kann ich mich in eine Identitätsgruppe hineinargumentieren? Und wenn nein, was mach ich dann? Meine eigene Identität bilden? Die Identität der "Viertel-Inder-in-Deutschland"?
 Macht sowas überhaupt Sinn, kulturelle Viertel-Inter Identität ohne Gruppe oder spezifische Kultur?

Ich weiß es nicht.

2 Kommentare:

  1. Ich finde das ist ein sehr interessanter Post und ein sehr schwieriges Thema.
    Es ist klar, dass es für dich anstrengend ist, dass du immer wieder auf deine Herkunft angesprochen wirst, nur weil du nicht typisch "deutsch" aussiehst. Gerade wenn du und deine Eltern hier geboren sind und Deutschland deine Heimat ist, wie für jeden anderen hier.
    Es ist nur eben auch schwierig das für Ausenstehende zu erkennen, da jedes Land eben verschiedene Ausprägungen hat, was das Aussehen angeht.
    Was mich angeht, ist es so, dass wenn ich jemanden nach seiner Herkunft frage keinesfalls böse gemeint. Ich bin einfach wahnsinnig interessiert an anderen Kulturen und Ländern und würde immer gerne mehr darüber erfahren. Wenn jemand dann nicht "typisch" aussieht, schließt man dann eben manchmal vorschnell darauf, dass die Person einem dazu vielleicht etwas erzählen kann/möchte :)

    Ganz liebe Grüße

    http://nilooorac.blogspot.de/

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  2. Huch..na siehste mal, ich hab Dich bei unseren Treffen noch nie anders wahrgenommen, als als Marburgerin, bzw später durch mehr Wissen als Marburger Studentin irgendwo aus Deutschland. Mir ist nichtmal ansatzweise in den Kopf gekommen, mir über Deine Herkunft Gedanken zu machen, gab gar keinen Anlass dazu. Du warst, und bist, einfach Sabine für mich. Studentin, Kind vom Land, Barfuß-Fan (zur Not eben auf Socken *g), liebenswerter Mensch und Punkt.

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